[Interview] MELANIE GARDING, ANDREA KEIL – LOST CHRONICLES OF ZERZURA

“Rätsel müssen kreativ und interessant sein”

Cranberry Studios hat sich mit den Adventure Games Black Mirror 2 und 3 einen Namen gemacht und veröffentlich mit LOST CHRONICLES OF ZERZURA ihr neustes Werk. Im Februar 2012 durfte ich im Gespräch mit Melanie Garding (Producerin) und Andrea Keil (Game Designerin) so einige Geheimnisse der Gameentwickler erfahren und das ein gutes Adventure eine Herausforderung bedeutet.

SHORTREVIEW: Welchen Reiz macht es aus, eine Geschichte in dieser angespannten Zeit der Inquisition zu erzählen?

Andrea Keil: Besonders reizvoll an dem Hintergrund von Zerzura war für uns, dass im Spätmittelalter bereits die ersten Elemente von dem auftauchen, was wir als Moderne definieren, aber das zugleich in Konkurrenz zu einer religiös geprägten, extrem autoritären Tradition stand. Die Geschichte rund um Feodor bringt diesen Reiz ja auch genau zum Ausdruck – der Erfinder Feodor muss sich mit Witz, Intelligenz und manchmal auch etwas Glück gegen repressive Kräfte durchsetzen.

SR: Die Chemie der Hauptfiguren muss stimmen. Wie geht Ihr an die Charakterentwicklung heran?

Andrea Keil: Gerade bei Adventures lebt die Geschichte sehr von den Charakteren und daher ist es für uns extrem wichtig, interessante und glaubwürdige Charaktere zu erschaffen. Bei LOST CHRONICLES OF ZERZURA haben wir uns am Konzept der Heldenreise orientiert und haben die Charaktere anhand den Aufgaben, die sie im Lauf des Spiels bewältigen müssen definiert und designt. Diese klare Aufteilung lässt sich dann natürlich immer wieder durchbrechen, um interessante und spannende Wendungen zu erschaffen. Feodor entwickelt sich (auch optisch) im Lauf der Geschichte immer mehr vom Nerd in der Werkstatt zu einem Abenteurer, der mutige Konzepte anfangs nur theoretisch “denkt”, sie aber später immer selbstbewusster durchsetzt.

SR: Wie ist die Entwicklung von LOST CHRONICLES OF ZERZURA verlaufen?

Melanie Garding: Die Entwicklung von einem Spiel wie LOST CHRONICLES OF ZERZURA ist etwas, das stetig im Fluss ist. In den ersten Konzeptphasen haben wir uns auf ein Szenario fokussiert, das eher in Richtung “Der Name der Rose” gehen sollte und als Schwerpunkt in Spanien angelegt war. Dann kam die Idee auf, dass wir den Reiseanteil erhöhen könnten, um noch mehr Abwechslung zu bieten, sowohl was Locations, wie auch Storydesign angeht. Während der Recherchen zur Inquisition und der frühen Renaissance haben wir dann die Verbindungen zwischen Nordafrika und Spanien aufgegriffen und sind recht schnell auf den Zerzura-Mythos gestoßen. Es hat sich dann gezeigt, dass die historischen Fakten, verbunden mit dem Mythos um Zerzura sich hervorragend in die Story einbetten ließen. Das fertige Werk ist also organisch gewachsen.

SR: Wie lang war die Entwicklungszeit von Idee bis Fertigstellung?

Melanie Garding: Bereits während der Entwicklung von Black Mirror 3 haben wir mit der Storyfindung von LOST CHRONICLES OF ZERZURA begonnen. Gegen Ende der Entwicklung von Black Mirror 3 ging es dann in die Konzeptphase, so dass nach Abschluss von Black Mirror 3 sofort mit der Umsetzung von LOST CHRONICLES OF ZERZURA begonnen werden konnte. Insgesamt betrug die Entwicklungszeit für den Titel 14 Monate.

SR: Was war die größte technische Herausforderung beim Spiel?

Melanie Garding: Wir haben bei LOST CHRONICLES OF ZERZURA eine neue Technik eingesetzt, die es in der Form noch nicht gegeben hat. Unsere Zielsetzung war, ein 2,5D Adventure zu schaffen, das technisch glänzt und gleichzeitig wenig hardwarehungrig ist. Wir haben dann in den 2D Hintergründen Masken einprogrammiert, in denen kleine Movies ablaufen, die aus vorgerenderten Sequenzen bestehen. Das ist beispielsweise bei der Umsetzung vom Meer zu sehen. Die Wellen wurden auf einem leistungsstarken Rechner gecaptured, als Movie-Maske umgebaut und dann ins Spiel implementiert. Da die Movies so gut wie keine Rechenleistung benötigen, können wir Spielern mit schwächeren Rechnern also dieselbe grafische Qualität bieten wie Spielern mit High-End Maschinen.

SR: Bei einem Erfinder als Hauptfigur, wie muss man an die Rätselentwicklung herangehen?

Andrea Keil: Das Rätseldesign ist da natürlich gleich doppelt tricky. Einerseits müssen die Rätsel kreativ und interessant sein – andererseits müssen sie in den historischen Rahmen passen. Wir haben uns dafür entschieden auf logische Rätsel zu setzen, bei denen das physikalische Wissen, das wir heute haben, natürlich einen gewissen Vorteil bietet. Aber dennoch wollten wir nicht, dass die Rätsel simpel werden und wir haben daher einerseits etwas unkonventionelle Lösungen für manche Rätsel – andererseits, vor allem gegen Ende, auch Kopfnüsse, die sich abseits der vorhersehbaren Lösung bewegen. Wir sind mit den Rätseln sehr zufrieden, denn einerseits erlebt der Spieler wie Feodor Wissen aus der Moderne erlernt (zum Beispiel: Warme Luft verschafft einem Ballon Auftrieb), andererseits lernt der Spieler auch welche Möglichkeiten und Optionen zur Zeit des Spätmittelalters gegeben waren. Der Mix aus beidem macht die Spannung aus.

Melanie Garding: Sehr wichtig ist natürlich auch, dass sich Rätsel und Minigames gut in die Spielwelt einfügen. Hier haben sich Game- und Story-Design in der Entwicklung gegenseitig beeinflusst. Nachdem die Story für LOST CHRONICLES OF ZERZURA fertig war und es an die Ausarbeitung der Details ging, haben wir uns parallel dazu Rätsel überlegt, die dann wieder Einfluss auf die Story hatten. So zum Beispiel bei der Aufgabenreihe auf Malta, bei der es auch darum geht Frauen zu betören… Dass sich Feodor die Tipps, um hier Erfolg zu haben, von Jamila holt und was dadurch zwischen den beiden passiert, hat der Story einiges an Tiefgang gegeben und die Rätsel “knisternder” gemacht. Es war faszinierend zu erleben, wie beides so stark ineinander gegriffen hat, dass es eine Form von Eigenleben entwickelt hat.

SR: Vielen Dank für den Einblick.

Andrea Keil: Sehr gerne.

Melanie Garding: Wir wünschen allen Spielern viel Spaß mit LOST CHRONICLES OF ZERZURA.

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Interview Sascha Leupold
Mit Dank an Matthias Finke, DTP

In abgewandelter Form erstmals erschienen in: Nautilus – Abenteuer & Phantastik, www.fantasymagazin.de