[Interview] MARK MILLAR – KINGSMAN: THE GOLDEN CIRCLE

“Mit Schirm, Charme und Schneid”

KINGSMAN: THE GOLDEN CIRCLE ist die Fortsetzung des erfolgreichen Films KINGSMAN: THE SECRET SERVICE, der ebenfalls kreativen Feder von Autor Mark Millar stammt. Millar wurde in Schottland geboren und schwor sich bereits in den Achtzigern nach einem Treffen mit Künstler Alan Moore (From Hell Grafik Novelle) Comicautor zu werden. Schnell machte er sich einen Namen, so dass der amerikanische DC Verlag auf ihn aufmerksam wurde. Später wechselte er zum Konkurrenten Marvel und schrieb einige wichtige Storylines, darunter das Heldenübergreifende CIVIL WAR, welches mit CAPTAIN AMERICA 3 verfilmt wurde. Doch auch seine eigenen Werke WANTED, die KICK-ASS Saga und KINGSMAN: THE SECRET SERVICE begeisterten viele Leser und boten Stoff für erfolgreiche Verfilmungen. 2015 wurde ich nach London eingeladen, um mit dem sympathischen Autor bei einer Tasse Earl Grey Tee über die Verfilmung des ersten KINGSMAN Film zu sprechen. Selbst jetzt zur Fortsetzung, ist das Gespräch sehr aufschlussreich.

SHORTREVIEW: Es heißt die Idee zu KINGSMAN kam Dir nachdem Du eine Dokumentation über Sean Connery und den Dreh zu James Bond jagt Dr. No gesehen hast?

Es war ein Zeitungsbericht 2005 im Guardian. Es wurde über das James Bond Jubiläum geschrieben und ein kleiner Abschnitt faszinierte mich besonders. Darin stand, dass Regisseur Terence Young Sean Connery als Bond wählte, weil er etwas in ihm sah. Die Produzenten wollten eigentlich Gary Grant, James Mason oder David Niven, da diese mehr Stil, mehr aristokratisches besaßen. Young dagegen wollte jemanden, der auch Stärke ausstrahlte. Da Connery aber der Stil fehlte, trainierte ihn Young selbst zum Gentleman. Er nahm ihn mit zu seinem Schneider, führte ihn in sein Lieblingsrestaurant aus und verwandelte ihn so wie in My Fair Lady. Und aus diesem Erlebnis entstand KINGSMAN.

SR: Bist Du ein großer James Bond Fan?

Die klassischen Filme haben es mir angetan. Aber auch die Serie The Avengers (Mit Schirm, Charme und Melone), die ich als Kind rauf und runter gesehen habe, diente als Inspiration. Ich liebe einfach John Steed.

SR: Es hieß, dass das Drehbuch parallel zur Grafik Novelle entstand.

Das habe ich oft gehört, ist aber falsch. Die Novelle entstand 2011 und das Drehbuch nahm glaube ich ein Jahr später erste Züge an. Aber während der Entstehung sprach ich viel mit Matthew Vaughn und auch Drehbuchautorin Jane Goldman, die ein unglaubliches gutes Gespür hat, Szenen zu beschreiben.

SR: Gab es Elemente aus dem Drehbuch, die Du gerne in der Novelle gehabt hättest?

Wie ich sagte, Jane hat ein gutes Gespür. Gerade die Änderung, das Harry Hart nicht mehr der Onkel von Eggsy ist, sondern lediglich ein guter Freund seines Vaters, hat allem eine andere Tiefe gegeben. Natürlich gibt es auch Dinge, die ich gerne eingebaut hätte, aber nur im Film wirken. Wie Sam’s (Samuel L. Jackson) lispeln. Als er das bei den Proben und der Vorbesprechung einbrachte, lachten zwar viele, glaubten aber nicht, dass es so perfekt passen würde.

SR: Was für ein Gefühl ist es Deine Grafik Novellen auf der Leinwand zu sehen?

Noch immer ein seltsames. Dies ist nun mein viertes Werk, das für die Leinwand adaptiert wurde. Ich komme mir vor wie im Film Being John Malkovich, wo die Bilder in deinem Kopf der realen Welt offenbart werden. Das was nur in Texten und auf Bilder zu sehen war, existiert nun dreidimensional als Filmset und ich kann das Ergebnis gemeinsam mit Freunden auf der Leinwand betrachten. Das ist einfach phänomenal und fühlt sich an, als ob man ein Kind bekommt. Wenn man bedenkt, wie viele Millionen alle Filme eingespielt haben und das ebenso viele Millionen Menschen Deine Werke gesehen haben. Wahnsinn.

SR: Wie unterscheidet sich die Arbeit an einer Grafik Novelle gegenüber einem Roman?

In der Visualität. Bei einem Roman passiert mehr in den Köpfen der Menschen, Gedanken und Geschehnisse werden detailliert beschrieben. Eine Grafik Novelle ist mehr wie ein Film, durch Bilder wird die Szene beschrieben und Dialoge sind sehr wichtig. Ich finde auch, das Hollywood so schon schnell sehen kann, wie ein Film aussehen könnte.

SR: Wie war die Arbeit mit Künstler Dave Gibbons (Schöpfer von Watchmen)?

Dave ist eine Legende wie Stan Lee bei Marvel. Er zeichnete schon als ich Sechs war. Er war immer mein Held, weshalb ich ihm mit Siebzehn einen Fanbrief schrieb, worin ich sagte, das ich eines Tages gerne mit ihm arbeiten würde. Es dauerte zwar dann fünfundzwanzig Jahre bis es soweit war, aber mein Traum erfüllte sich. Mir klopft noch immer das Herz wie bei einem Kind, wenn ich heute eine Mail von ihm bekomme. (lacht) Wir respektieren uns und weder ich würde sagen, ich mag diese Zeichnung nicht, noch sagt er, mir missfällt diese Szene. Wir haben uns vorher intensiv unterhalten und auch jetzt noch sehen wir uns oft, telefonieren oder mailen. Jedenfalls hoffe ich, dass wir in Zukunft noch einmal zusammenarbeiten werden.

SR: Filmumsetzungen von Comics haben es immer schwer, weil Leser feste Bilder im Kopf haben oder wie siehst Du dies?

Natürlich haben die Zuschauer feste Vorstellungen und gerade bei Superhelden fixieren sie sich. Doch wer die Comics mag, wird sich auch über einen Film darüber freuen. Sie suchen sogar Gründe diesen zu mögen. Auch ist die Fanbase anders, heutzutage diskutieren sie Online über die Umsetzungen noch bevor sie stattfinden. Durch das Feedback erfährt man schon, ob sich eine Verfilmung lohnt oder nicht.

SR: Du hast sowohl europäische als auch amerikanische Comics geschrieben. Wie unterschiedlich sind sie?

Ich würde es mit den ersten John Woo Filmen vergleichen. Als diese Werke mit ihrem asiatischen Stil kamen, fragten sich alle, wie passt deren Stil zu den amerikanischen Filmen. Bei den Comics war es ähnlich. Durch europäische Autoren bekamen die US-Comics eine frische Sichtweise, weil die herangehensweise anders als die übliche war. Dazu kam eine andere Sensibilität und Intensität. Ich habe nie versucht mich anzupassen, sondern meine Art Geschichten zu erzählen beibehalten.

SR: Hast Du für KINGSMAN recherchiert?

Erstaunlicherweise bist Du der Erste, der dies fragt. Ja, durch einen Freund von mir, der in der SAS (Special Air Service) die Soldaten trainiert, habe ich viel über den Geheimdienst und Sonderkommandos erfahren. Viele Ideen übernahm ich. Kaum zu glauben, aber die Trainingsmethoden im Film und der Grafik Novelle sind real. An die Bahnschienen gefesselt zu werden gibt es wirklich, auch das man in einem anderen Land ohne Pass und Geld abgesetzt wird und nur 24 Stunden Zeit hat nach London zurückzukehren. Dies wurde aber nicht im Film übernommen und passiert nur in der Novelle.

SR: Ob nun WANTED, KICK-ASS oder KINGSMAN, alle haben einen jugendlichen Charakter als Hauptfigur, der erst zu sich selbst finden muss. Warum ist dies so?

Ich schreibe Comics seit über zwanzig Jahren und interessanterweise wurden die Werke für Verfilmungen herausgepickt mit solchen jugendlichen Figuren. Es läuft stets nach dem gleichen Schema. Der Unbeholfene bekommt jemanden an seine Seite, der ihn trainiert und zu etwas besserem macht. Gerne wird ein Charakter benutzt, der sich auf einer Art Suche befindet. So ist es auch bei Star Wars. Luke Skywalker, der Farmerjunge wird von Yoda und Obi-Wan zu einem Jedi trainiert, um größere Aufgaben zu erfüllen. Es ist die klassische Heldenreise. Ich habe es nie so geplant, aber das gleiche Schema funktioniert als Superhelden- und Spionagegeschichte.

SR: Wie ist dies beim Bösewicht?

Wie gesagt, der Held ist auf einer Reise. Der Bösewicht dagegen hat eine Mission und muss mehrfach zeigen, wie gefährlich er ist. Die Geschichte kann aber nur wirken, wenn der Bösewicht funktioniert. Dazu ist sein böser Plan wichtig, dieser muss ausgefeilt sein. Der Held und sein Widersacher müssen sich ebenbürtig sein.

SR: Was sagst Du zum großartigen Cast bei KINGSMAN?

Beeindruckend. Ich glaube am meisten hat mich überrascht Michael Caine dabeizuhaben. Sam sah ich erstmals im Film Reservoir Dogs mit Zweiundzwanzig und Colin Firth mit Fünfundzwanzig. Michael Caine dagegen hat schon Filme gemacht bevor ich geboren wurde. Das fühlt sich an, als wäre eine Legende wie Sean Connery dabei. Als ich meinen Brüdern davon erzählte, glaubten die nicht, dass es sich um den Echten handeln würde. (lacht)

SR: Wie war es mit einem visuellen Regisseur wie Matthew Vaughn zu arbeiten?

Es macht immer Spaß. Für KINGSMAN haben wir sechs Monate andauern gesprochen. Dabei sind wir das Drehbuch intensiv durchgegangen, aber über die möglichen Darsteller gesprochen und wie er es sich vorstellt. Dann wenn der Dreh begann wurde es weniger, da er sich auf den Film fokussieren musste. Da bin ich dann einen Schritt zurückgetreten und habe ihn machen lassen. Erst bei der Nachbearbeitung habe ich dann oft zugesehen, wenn er die rohen Schnittfassungen betrachtete und mich etwas eingebracht.

SR: Du hast sicher auch das Set besucht.

Bei Drehstart war ich wegen einer schweren Krankheit verhindert, aber in der zweiten Drehphase war ich vor Ort. Aber ich bedauere schon einen großen spaßigen Teil verpasst zu haben. Überhaupt die Sets zu sehen hatte etwas magisches, du siehst Dinge, die du vorher nur in deinem Kopf hattest und jetzt fühlen sie sich so lebendig an. Einige Impressionen könnten sogar in einer möglichen Fortsetzung erscheinen. (lächelt verschmitzt)

SR: Wird es eine weitere Zusammenarbeit mit Matthew Vaughn geben?

Von seinen bisherigen fünf Filmen waren Zwei von mir. Wir haben schon über eine weitere Zusammenarbeit gesprochen und im Sommer 2015 kommt von mir etwas Neues heraus, bei dem er Interesse hat. Aber warten wir es ab.

SR: Vielen Dank, das Du Dir Zeit genommen hast.

War mir ein Vergnügen.

 

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Interview Sascha Leupold

In abgewandelter Form erstmals erschienen in: Nautilus – Abenteuer & Phantastik, www.fantasymagazin.de