[Buch] MORTAL ENGINES – KRIEG DER STÄDTE

Raubstädte. Fahrende Städte bekämpfen und fressen sich sozusagen gegenseitig. Ein Krieg ist unter ihnen ausgebrochen und die Großen jagen die Kleinen, so sind die Raubstädte entstanden. London ist eine der Grossen, gefürchtet und bewundert zugleich. Hier lebt der junge Tom Natsworthy, ein Historiker Gehilfe dritter Klasse, der im Museum aushilft. Dabei lernt er den Visionärs Thaddeus Valentine und seine hübsche Tochter Katherine kennen. Valentine gehört zu den legendären Historikern, der der Stadt wichtige Erkenntnisse in Bezug auf OLd-Tech, der Technologie aus der Vergangenheit, gebracht hat, damit sie genutzt werden kann. Tom hat die Ehre ihn bei der Suche nach historischen Schätzen in den gefressenen Trümmern einer kleinen Stadt zu begleiten, als plötzlich eine Attentäterin auftaucht. Tom kann verhindern, das Valantine etwas passiert und beginnt die Verfolgung. Er will damit den Visionär, aber mehr Katherine beeindrucken. Bei einem Entsorgungsschacht kann er die Täterin, eine junge, im Gesicht entstellte Frau in seinem Alter stellen. Schließlich kommt auch Valantine hinzu und wird Zeuge, das Valantine sie als Hester Shaw erkennt. Bevor die Frau gefasst werden kann, springt sie von der fahrenden Stadt über den Schacht ab. Valantine gefällt überhaupt nicht, dass Tom sein Geheimnis kennt und schmeisst ihn selbst über Bord. Nach einer Zeit wacht er neben Hester auf dem nackten Erdboden auf und weiß, ohne sie kann er alleine nicht überleben. Nach und nach öffnet sich die junge Frau und so erfährt Tom, Valantine hat ihre Eltern ermordet. Deshalb will sie Rache. Beide suchen einen Weg zurück nach London, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Hester Shaw’s erscheinen gefällt einigen in London nicht und so hetzen sie den Killercyborg Shrike auf die junge Frau. Tom und Hester stecken inzwischen in anderen Schwierigkeiten und der junge Historiker dritter Klasse erkennt, in einem unglaublichen Abenteuer zu stecken, von dem er noch nicht einmal ahnt, das er mitwirken wird, die Welt zu bewegen.

Fazit:
Mit einfachen Erklärungen und Beschreibungen beginnt schnell die rasante Handlung. Es gibt nicht allzu vieles Umherschweifen, wodurch eine durchgehende Spannungskurve in diesem dystopischen Steampunk Abenteuer entsteht. Vielleicht öffnen sich die Figuren zu schnell, wodurch ihnen ein wenig an Mysterium verloren geht. Die Idee der gewaltigen fahrbaren Städte hat viel Potential und fasziniert. Dazu mischen sich moderne Coolness, wie bei Beschreibung von Anna Fang mit ihrem langen roten Mantel und Sonnenbrille. Ebenso werden bekannte Werke aus Literatur und Film zitiert. Fang’s Luftschiff beschreibt Tom mit: “Die besteht ja aus Schrott.”. Im Original ist es der gleiche Satz, den Luke Skywalker in ‘Star Wars: Eine Neue Hoffnung‘ zu Han Solo’s Millenium Falcon sagt, als er ihn erstmals erblickt.
Um die Spannung hochzuhalten, aber auch unterschiedliche Seiten zu zeigen, gibt es verschiedene Heldenfiguren mit unterschiedlichen Aufgaben. Hester und Tom ist die meiste Aufmerksamkeit gewidmet, sie sind die tragischen Figuren mit traurigen Vergangenheiten und müssen aus diesen lernen, sowie gestärkt hervorgehen, wobei alles aus Tom’s Sicht erzählt wird. Dann gibt es noch Katherine Valantine, sie schaut hinter die Kulissen der Traktionsstadt London. Als Tochter aus gutem Hause, sieht sie die negativen Seiten, die man den meisten Bewohnern verschweigt oder beschönt erklärt. Dies hat etwas von Gesellschaftskritik, auch wie sie auf die für sie schrecklichen Bilder reagiert. So war die lange vergangene Welt schlecht, doch eben auch die neue Welt mit ihren fahrenden Städten, ist eigentlich nicht anders. Aus den Fehlern der Vergangenheit wurde nicht gelernt. Es macht Freude, diese Figuren von Seite zu Seite näher kennenzulernen.
Es gibt aber auch einige Ungereimtheiten. Die ganze Zeit rätseln Tom, Hester und Anna Fang, was MEDUSA ist. Der Leser war ihnen hier zunächst einen Schritt über Kathrine’s Geschichte voraus. Schließlich hat London mit der Old-Tech Waffe MEDUSA die Panzerstadt Bayreuth vernichtet. Sie gekommen lediglich die Zerstörung mit, reden aber nicht über einen möglichen Zusammenhang. Doch als Anna Fang mit dem Oberhaupt von Batmunkh Gompa spricht, bezeichnet sie MEDUSA als Waffe. Gerade zum Ende hin wird die Handlung ein wenig sprunghaft, wodurch Fakten unausgesprochen zusammengefasst werden. Deshalb entsteht auch ein schnellerer Geschichtsablauf mit oberflächlichen Beschreibungen. Ein wenig mehr Ruhe hätte gut getan. Dazu schwanken Charaktere in ihrer Art. Valantine ist mal ein selbstbewusster Historiker, der keine Gefahr scheut, als Agent Londons sich in feindliches Territorium einschleicht und unaussprechliche Dinge tut, doch dann ist er gegenüber Londons Bürgermeister Crome zurückhaltend, feige und folgsam. Tom selbst ist als Historiker dritter Klasse aufgewachsen und müsste ein beachtliches Wissen verfügen, dies nutzt er leider gar nicht. Es fehlt oft die Balance und nutzt seine Möglichkeiten manchmal nicht.
Philip Reeve’s Stiel liest sich angenehm flüssig. Vielleicht ein wenig ungewöhnlich ist seine Verwendung von in Klammern gesetzten Erklärungen mitten im Text. Zum Ende hin ist er erzählertechnisch sprunghafter und es wirkt, als setze er gewisse Gedankenzüge und Kombinationen seiner Leser voraus.
Bewegung heißt Fortschritt, Weiterentwicklung. Traktionsstadt London fährt unaufhaltsam vorwärts, sucht nach neuen Technologien, auch aus vergangenen Zeiten, um mehr Macht zu erlangen, schließlich ist das Motto der Raubstädte: Fressen oder gefressen werden. MORTAL ENGINES spielt mit vielen grundlegenden Metaphern und erzählt gleichzeitig ein spannendes, emotionales Abenteuer. Kein Charakter ist Schwarz oder Weiß, denn alle haben ihre unausgesprochenen Seiten. Gleichzeitig begeistert es zu lesen, wie sich die ungewöhnliche Beziehung von Tom und Hester intensiviert, auch wenn Reeve jetzt nicht der begnadetste Romantiker im beschreiben ist. Schade ist ebenfalls, dass einiges an Potential verlorengeht und ungenutzt bleibt, sowie dass die Handlung zum Ende hin sprunghafter und zu schnell abgehandelt wird. Gleichzeitig aber begeistert diese Vorstellung von riesigen Raubstädten, die durch die Welt fahren.

Daten:
Autor: Philip Reeve
O-Titel: Mortal Engines
Verlag: Tor Fischer