[Interview] BOB ROBERTS – MITTELERDE: MORDORS SCHATTEN

“Düstere Schicksale”

Einen wichtigen Einfluss bei Warner Bros. Interactive’s Game MITTELERDE: MORDORS SCHATTEN hatte Senior Designer Bob Roberts vom Entwickler Monolith Productions. Sehr stolz präsentierte er das Game im historischen Eiskeller in Hamburg. In diesen sieben Metern unter der Erde befindlichen Backsteinkatakomben wurden früher Eisblocke gelagert, die über Verbindungstunnel zur Elbe direkt von den Schiffen am Hafen kamen. Bei solch passender Location fühlte er sich gleich wohl und plauderte munter mit mir über Orks und gefallene Helden.

SHORTREVIEW: Hier im Eiskeller die Präsentation zu machen, kann nicht passender sein.

Ist dieser Ort nicht, wie in einem Dungeon? (lacht) Es ist wie in einem Schloss von Mittelerde. Ich liebe solche historischen Bauwerke und wünschte, wir hätten in Seattle einige davon.

SR: War es schwer den richtigen Ansatz fürs Game zu finden?

Bob Roberts mit Mir

Schwer zu sagen. Ein Teil ergab sich aus den Spielmechaniken heraus, insbesondere dem Nemesis System. Wir spielen mit den Bösewichtern und in Mittelerde ist halt Mordor der beste Platz. Hier zeigt sich die Komplexität der Orks Gesellschaft, ihrer Hierarchie und wir können ihre Tiefen und Hintergründe erzählen. Uns war es wichtig eine eigenständige Geschichte in dieser Welt zu erschaffen, die auch einen neuen Blickwinkel ermöglicht. Wir haben Sauron zurück in Mordor und mit Celebrimbor dem Ringschmied einen guten Gegenpart, der die gute alte Ringgeschichte in ein neues Licht taucht. Er ist ein ebenso wichtiger Teil der Historie über die nie viel gesagt wurde. Mit Talion wollten wir die menschliche Sicht der Ereignisse verdeutlichen, der zwischen diese epischen Figuren wie Sauron und Celebrimbor gerät. Er ist ein guter Kontrast dazu. Durch das Nemesis System baut sich eine individuelle Handlung auf. Gegner die dort aufsteigen und uns begegnen, erinnern sich an uns, weil sie uns einst töteten. Da aber Talion stets wiedererweckt wird, haben wir so den richtigen Ansatz. Das passt gut zu den Motiven von Tolkin, der sich mit Sterben und Unsterblichkeit auseinandersetzt.

SR: Gibt es jemanden, der die Ereignisse in Mittelerde überwacht und entscheidet, was z.B. im Game sein darf und was nicht?

Middleearth Enterprises überwacht Tolkins Welt. Ihnen haben wir vorgetragen, was wir uns vorstellten und geschehen sollte, sowie die Geschichte von Celebrimbor. Sie halfen uns den richtigen Zeitansatz zu finden und haben es mit allen existierenden Fakten abgeglichen. So erfuhren wir, wo wir Freiheiten hatten oder wo es keinen Sinn ergab. Wir gaben ihnen all unsere Dialoge und Skripte zum gegenlesen. Von ihnen erhielten wir dann konstruktives Feedback. Aber auch so sind wir große Fans und waren gewissenhaft, die neue Geschichte nicht in Konflikt mit der Bekannten geraten zu lassen. Von uns aus haben wir alle Fakten und Verbindungen einfließen lassen, die uns selbst bekannt waren. Ebenso eng haben wir mit WETA Digital zusammengearbeitet, damit Mordor und die Orks Kultur das richtige Design besitzt. Dazu halfen uns ebenfalls Sprachexperten für Elbisch und die Schwarze Sprache. Tolkin war ja selbst Linguist und achtete darauf, dass seine erfundenen Sprachen funktionierten. Insgesamt haben uns sehr viele Menschen unterstützt, damit wir das richtige Fundament fürs Game legen konnten.

SR: Peter Jacksons Filme habt Ihr schon viel zu verdanken.

Seine Werke haben uns stark inspiriert. Er wollte die Fantasywelt bodenständiger und glaubhafter zeigen. Die Orte sollten lebendig und nicht übertrieben wirken. Dadurch das WETA den ganzen Look und die Atmosphäre in den Filmen geschaffen hat, wussten sie genau, wie uns unterstützen konnten. Wir haben unser Studio in Seattle und nicht unweit haben wir unseren eigenen Schicksalsberg, den Vulkan Mount St. Helens. Dadurch konnten wir gut nachvollziehen, wie sich die Bewohner von Mordor fühlen mussten. (lacht)

SR: Das Spiel kombiniert zahlreiche Spielmechaniken und Genres, wie Action Adventure mit RPG und Strategie. Erreicht man so neue Erfahrungen für den Spieler?

Als Entwickler muss man schon über die Spiele hinaus denken, die man mag. Grundsätzlich baut aber auch jeder Künstler auf dem auf, vom dem er seine Erfahrungen hat. Dies betrifft nicht nur die Games, ob nun Bücher oder Filme, wir sammeln grundsätzlich die Dinge, die uns gefallen. Als Künstler muss man diese nur zusammensetzen. Gerade was wir gern haben, inspiriert uns am meisten. Bei MORDORS SCHATTEN haben wir viele Elemente benutzt, die die Spieler in Open World Games erwarten und ein dynamisches Kampfsystem. Dagegen beim Nemesis System haben wir viel Neues getestet und ausgelotet, um herauszufinden wie viel Freiheiten wir in dieses vorgegebene System einbauen können. Wir haben eine Menge Zeit investiert, bis es so funktionierte, wie wir es uns vorstellten.

SR: Das klingt nach der größten Herausforderung bei der Entwicklung.

Das war es auch. Technisch gesehen besonders, damit alles einheitlich funktioniert. Wir bauten viel Inhalt ein, den Charaktergenerator, die passende und unterschiedliche Stimmenvertonung, die Erinnerungsspeicherung und eine Menge mehr. Aber auch optisch musste alles passen und hier dauerte es lange die richtige Balance zu finden. Das sind alles Bosskämpfe im Nemesis System und jeder sollte eine Herausforderung werden. Gerade weil diese Bosse durch Zufall entstehen, war es schwer, dass es immer funktionierte. Bis wir die richtige Balance gefunden haben, probierten wir herum und testeten unterschiedliche Ideen. Wichtig war eine gute Mischung aus Herausforderung, Strategie und Einschätzung für den Spieler zu schaffen. Sein Lernprozess mit steigender Schwierigkeit musste da sein. Dafür schufen wir spezielle Funktionen, damit er sich zurechtfindet.

SR: Ein Bonus zum Game ist die ‚Palantir’ App auf mobilen Geräten. Ist dies ein neuer Weg für die Spieler ihre Erfahrungen auszutauschen?

Mit der App wollen wir die Community zusammenbringen. Sie sollen sich gegenseitig helfen, neue Dinge herfahren und auch zahlreiche Geheimnisse von MORDORS SCHATTEN herausfinden. Mir hat am meisten gefallen, das dort zusätzliche Informationen zu den Missionen offenbart werden und wenn der Spieler ein Artefakt im Game aufsammelt, er aber erst durch die App erfährt, in welchen Zusammenhang dieses mit dem Tolkien Universum steht. Sie ergänzt unser Spiel gut, da wir über die tausendjährige Geschichte, den epischen Kämpfen und was sonst in Mittelerde geschah, nicht wirklich eingehen konnten. Es ist ein Sandkasten, wir tragen ein Teil für die Spieler bei und die Spieler für andere Spieler. Zusammengebaut ergibt es ein Ganzes.

SR: Etwas was bei den Tolkien Werken festzustellen ist, ist das die Männer dominieren. Gut, dies lag auch an der Zeit, wann sie geschrieben wurden. Bei MORDORS SCHATTEN scheint es ebenso. Starke weibliche Figuren fehlen. Können dennoch die weiblichen Spieler angesprochen werden?

Natürlich gibt es universelle Elemente der Geschichte, die jeden ansprechen. Wir haben eine ganze Reihe starker weiblicher Figuren eingebaut, denen Talion begegnet und eine wichtige Rolle spielen. Egal wer spielt, der Spieler muss sich in die Hauptfigur emotional hineinversetzen können, damit er mitgerissen wird.

SR: Es gibt Leser der Tolkien Werke, die sagen, alles wurde bereits erzählt. Doch mit dem Spiel zeigt Ihr, das es immer noch Facetten gibt, die unerzählt sind.

Absolut. Tolkien hat nicht nur Romane, er hat eine ganze Welt erschaffen. Dazu hat er eine ganze Menge unerzählter Anspielungen und Ideen nicht nur in den Büchern hinterlassen. Zahlreiche Notizen und Gedanken sind unvollendet, so dass noch viele Geschichten und Mysterien erzählt werden können. Jemand fragte Tolkien, was jenseits der Berge sei, die seine Mittelerdekarte begrenzen und er antwortete, dass dort vorerst nur weitere Berge seien. Die Welt ist einfach viel größer als wir ermessen können und er konnte nur einen winzigen Teil aufschreiben. Wer seine Werke liest, wird in jedem neue Kreaturen, legendäre Charaktere und Anspielungen zwischen den Zeilen finden. Heutzutage haben wir die Möglichkeit bekommen, diese Anspielungen auszuarbeiten und mitzuteilen. Wichtig ist nur seine Grundmotive beizubehalten.

SR: Vielen Dank für den intensiven Einblick.

War mir ein Vergnügen.

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Interview Sascha Leupold

In abgewandelter Form erstmals erschienen in: Nautilus – Abenteuer & Phantastik, www.fantasymagazin.de