[Interview] JAN MÜLLER-MICHAELIS – DEPONIA

“Adventures sind wie ein gutes Buch”

Interaktiven Erlebnistouren können vielschichtige Geschichten auf eine einzigartige Weise erzählt werden und ein Spieler nimmt aktiv am Geschehen teil. So sieht es auch Jan Müller-Michaelis, Chef von Daedalic und der kreative Kopf, sowie Entwickler der Adventures Edna Bricht Aus, Harveys Neue Augen, The Whispered World, A New Beginning und jetzt DEPONIA. Bei einem Besuch im Daedalic Studio im Januar 2012 plauderte ich munter mit dem Kreativkopf.

SHORTREVIEW: Sag mir, welche Faszination geht für Dich vom Genre Steampunk aus?

Es ist die Faszination am Basteln. Geräte mit einfachen Mitteln zu erschaffen. Dazu kommt die Begeisterung für die Jahrhundertwende. Steampunk kann Technik einfacher machen und jeder sie nachvollziehen. Dazu kann sie mit ihren großen Hebeln und komischen Bauteilen interessant aussehen.

Jan Müller-Michaelis

SR: Euer neues Adventures spielt auf einem Schrottplaneten mit einer eigenen Sozialstruktur. Erzähle mir doch etwas über die Entwicklung der Welt von DEPONIA.

Es war mir wichtig eine sehr eigenständige Welt zu schaffen. Ähnlich wie in dem für mich Ur-Adventure The Secret of Monkey Island, stand der Spielspaß mit eigenem Setting an erster Stelle. Dazu kam, das ich schon in meiner Kindheit gerne aus Schrott etwas gebaut oder Geräte einfach nur auseinandergenommen habe, nur um zu sehen, wie sie funktionieren. Dies habe ich auf die Müllwelt Deponia übertragen. Auch ist Science Fiction eine tolle Plattform, die noch nicht so stark für Adventures belegt ist.

SR: Erneut habt Ihr eine ganze Reihe von besonderen und kuriosen Figuren entwickelt. Was kannst Du mir über die Hauptfigur Rufus verraten?

Rufus leidet an unglaublicher Selbstüberschätzung und Egozentrik. Er hält sich für den großen Erfinder, Bastler und Frauenversteher. Nur kann er sich nicht selbst zugestehen, dass er dies eigentlich nicht ist. Alles was er anfasst geht schief. Rufus träumt und versucht mit seiner konfusen Art an die Spitze zu gelangen, doch eigentlich will er nur raus aus dem Müll. Obwohl er Hilfsbereit erscheint, hat er am Anfang nur das eigene Ziel vor Augen. Er muss lernen über sich hinauszuwachsen. Seine Entwicklung war für mich das Freilassen des inneren Kindes. Kreativität gegen Vernunft.

SR: Erzähle mir etwas über die Entwicklung von DEPONIA.

Die erste Idee zu DEPONIA entstand vor 3 Jahren, auch wenn wir uns dem Projekt nicht gleich voll widmeten, sprachen wir immer wieder über Ideen. Doch gleich nach Harveys Neue Augen griffen wir es auf. Bei der Entwicklung entschieden wir uns den Zeichenstil und das Design ähnlich anzulegen wie Edna Bricht Aus. Dabei legten wir besonders wert auf Spezialanimationen von Kleinigkeiten, damit alles lebendiger wirkt. Wir entwickeln uns dabei ständig weiter und erweitern die Möglichkeiten.

SR: Was sollte in Deinen Augen ein gutes Adventure ausmachen?

Am wichtigsten ist die Geschichte. Dazu Charaktere mit glaubwürdigen Motiven und Konflikten. Ich möchte mich mit der Figur identifizieren können. Der Protagonist kann Wege stellvertretend für mich gehen. Der etwas für Dich ausprobiert und erlebt, was in der Realität nicht geht. Geschichten werden intensiver durchs miterleben der Entwicklung und des Reifeprozesses der Figuren. Für mich sind Adventures wie ein gutes Buch, nach Erfolg möchte ich sie stolz ins Regal stellen.

SR: Wie siehst Du gutes Rätseldesign?

Es wird immer wichtiger. Dabei sollte es kein Effekt sein, sondern die Geschichte unterstützen. Bei DEPONIA sollten sie ebenfalls den Humor widerspiegeln und unterstützen. Sehr gut zu sehen bei Rufus, welcher seine Pläne nicht zu Ende denkt und sich für den großen Bastler hält, der er nicht ist. Seine Basteleien neigen zum schiefgehen, weil er immer zum improvisieren neigt und so natürlich auch der Spieler es tun muss.

SR: Ich danke für das informative und offene Gespräch.

Immer gerne.

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Interview Sascha Leupold
Dank an Daedalic, sowie Jan Müller-Michaelis und Henrike Rohloff.

In abgewandelter Form erstmals erschienen in: Nautilus – Abenteuer & Phantastik, www.fantasymagazin.de