[Interview] TRENT HAAGA – THE EVIL WITHIN 2

Vielseitigkeit, beschreibt den Amerikaner TRENNT HAAGA am Besten, denn er ist nicht nur als Schauspieler kleineren Horrorfilmproduktionen und Kurzfilmen unterwegs, auch schreibt er Drehbücher oder produziert. Zu seinen Werken zählen 68 Kill, Deadly Daughters und Killing Daddy, sowie die Videospielverfilmung It Came from the Desert. Doch auch für Games hat er die Bücher geschrieben, so zu THE EVIL WITHIN (auch unter PSYCHOBREAK bekannt) zusammen mit Itaru Yokoyama für Resident Evil Schöpfer Shinji Mikami. Nun erscheint THE EVIL WITHIN 2 und über seine Arbeit daran spreche ich nun mit ihm. Am Beginn gab es ein paar Probleme mit der Lautstärke der Telefonverbindung und als es soweit war, fragte Trent “Ist es so bessser?” in sehr gutem Deutsch. Das war eine wunderbare Basis das Interview zu beginnen.

SHORTREVIEW: Du schreibst Horror- und Gruselgeschichten, wie hat Deine Faszination dafür begonnen?

Schon sehr früh. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, wo es nur wenige Fernsehsender gab und habe ich mich immer für die alten und klassischen Horror- und Gruselfilme interessiert. Ich weiß eigentlich nicht warum, sie waren düster, unheimlich, furchteinflössend und hatten Monster und doch faszinierten sie mich. All dies war lange vor dem Internet und ich wußte nicht einmal, dass es für dieses Genre Fangruppen gab. Später erfuhr ich von zahlreichen Menschen, die diese Filme mochten und darüber diskutierten. Ich bin in den Staaten mehr ländlich aufgewachsen, wo nicht viele Kinos existierten. Wenn ich mal einen Film sah, zog ich ihn in mir auf. Es war immer ein Erlebnis, da es mit einer stundenlangen Autofahrt verbunden war. Oft war ich in einem Autokino, wo die alten Dracula und britischen Hammer Filme gezeigt wurden. Eine meiner frühsten Erinnerungen, ich glaube ich war 3 Jahre, war Sindbads siebente Reise. Solch Abenteuer begeisterten und prägten mich. Der Kampf gegen die Skelette oder den Zyklopen und da war Jason und die Argonauten. Unvergessen. Du wolltest wissen woher meine Begeisterung kommt, aber ich muss zugeben, sie kommt von etwas vergangenem, an das ich mich kaum noch erinnern kann. (schmunzelt)

SR: Was bedeutet es nun für Dich mit Furcht zu spielen und andere Menschen zu gruseln?

Grundsätzlich haben Filme die Möglichkeit mit anderen Menschen zu kommunizieren. Man kann sie belehren, aber auch, das mag ich an Horrorfilmen, ihnen eine andere Sicht auf die reale Welt präsentieren. Dabei akzeptieren sie dann ungewöhnliche Wahrheiten und experimentieren mit den eigenen Grenzen. Wahrheiten direkt schmecken oft wie eine bittere Pille. Bei einem Horrorfilm kann man sie in einem Löffel voll Zucker verstecken und so die Erkenntnis versüßen.

SR: Eine andere Art Film bietet das Medium Game. Wie bist Du zum THE EVIL WITHIN 2 Projekt gekommen?

Ich war bereits am ersten THE EVIL WITHIN beteiligt und weil ihnen meine Arbeit gefiel, bin ich nun auch bei THE EVIL WITHIN 2 dabei. Damals war der erste Teil bereits fertig und in der Testphase. Die Testspieler hatten eine Menge offene Fragen zur Geschichte, die keiner beantworten konnte. Ein Bekannter von mir bei Bethesda kannte meine Arbeit und sagte dem Team: ‘Ich kennen einen passenden Autoren, der wirklich gute Horrorfilme verfasst hat. Warum geben wir ihm nicht einen Einblick und unterhalten uns mit ihm, vielleicht hat er ein paar gute Ideen.’ So wurde ich eingeladen und spielte mit ihnen das erste Game. Ich war sogleich vom tollen Gameplay, den gruseligen Monstern und dem unheimlichen Sounddesign angetan. So frage ich drauf los: Warum macht Ruvik das? Warum passiert dies und was geschah davor? Man sagte mir, das ihre Tester genau die gleichen Fragen hatten. Weil das Game bereits weit in der Entwicklungsphase war, konnten sie nur noch wenig verändern. Meine Gameversion besaß keine Zeitungsausschnitte, Tagebuchauszüge oder Texte im Computer, um mehr herauszufinden. Also bot man mir an diese zu verfassen, denn dies war leicht ins Game einzubauen. Alle zu findenden Texte mit der Hintergrundgeschichte habe ich geschrieben, um Motivationen und Emotionen zu erzeugen. Mit dem Ergebnis war nicht nur ich zufrieden. Deshalb durfte ich später auch beim DLC die Dialoge überarbeiten und schrieben.
Bei THE EVIL WITHIN 2 hat man mich bereits in der Vorproduktion involviert, um das Drehbuch beziehungsweise das Dialogbuch zu schreiben. Also alles was Du hörst, schriftlich siehst oder liest kommt aus meiner Feder, abgesehen von der Hauptgeschichte und Monsterkreationen, dafür waren die Entwickler zuständig. So flog ich nach Tokyo und lebt fast für fünf Monate im Tango Gameworks Studio. Ich habe eng mit dem Team gearbeitet, damit Dialoge mit dem Gameplay harmonieren.

SR: Wie viel Freiheiten hattest Du und gab es Vorgaben durch den ersten Teil, insbesondere wegen Sebastian’s tragische Familien Hintergrundgeschichte.

Ich komme aus dem Filmgeschäft und dort schreibt man als Autor das Drehbuch. Dann kommentieren es Produzenten und andere Beteiligte und daraus macht man entsprechende Änderungen. Schließlich wird der Autor nach Hause geschickt und der Film gedreht. Beim Game verliefen die Entwicklung und das Schreiben gleichzeitig. Andere Faktoren spielen eine Rolle. Zum Einen sollten die geschehenen Ereignisse eingebunden werden, wobei aber auch Neueinsteiger sich zu Recht finden mussten. Grundsätzlich wurde viel besprochen. Die Game Designer sagten, dies können wir machen, doch jenes ist Aufgrund der Parameter nicht möglich, man kann es aber so machen. Im Vergleich zum Film ist man ein ständiges Crewmitglied, wo die Arbeit Hand in Hand geht. Anmerken möchte ich noch mal, dass ich nicht die beeindruckenden Monster kreiert habe, dafür hatten sie spezielle Designer. Insbesondere Mikami-san, der überall Ideen beisteuerte. Die Grundgeschichte war vorgegeben. In etwa hieß es, ‘Sebastian trifft auf diese Person und dieser schickt ihn auf eine Nebenmission. Ist diese geschafft, erhält der Spieler ein spezielles Item.’. Ich war nun für das Drumherum zuständig, schrieb was für ein Charakter die Person und was seine Geschichte ist, sowie warum er Sebastian auf die Mission schickt. Damit hat Sebastian einen Grund die Aufgabe zu erfüllen. Diesmal kann er sogar ablehnen, wodurch der Gamer mehr Freiheiten hat. Es ist zwar ein lineares Game in einer leicht offenen Welt, aber weil sie offen ist, können einige Entscheidungen selbstständig getroffen werden. So mussten verschiedene Versionen geschrieben werden, also was wenn Sebastian die Nebenmission macht oder eben nicht. Entsprechend davon hat der Auftraggeber unterschiedliche Dialoge. Wegen dieser leichten offenen Welt, war es ebenfalls eine Herausforderung den Spieler mit Sebastian steht’s wieder auf den linearen Weg zurückzubringen. Diese Interaktivität gibt es nicht beim Film, aber genau dies macht es aufregend.

SR: THE EVIL WITHIN beginnt wie ein realer Polizeieinsatz. Sebastian landet in den Fängen eines seltsamen Killers und flüchtet, um dann festzustellen in einer abgedrehten Welt in seinem Kopf oder dem Kopf eines Anderen zu sein. Gab es ein Rezept auch im zweiten Teil diese Welten zu mischen?

Dieses Konzept war ja etabliert und ich war davon sehr angetan. Ich musste aber auch feststellen, dass nicht wirklich viel über Sebastian bekannt war. Dazu hat der Spieler wie Sebastian diese fremde Welt immer mehr kennengelernt. Gemeinsam haben sie sie erforscht. Nun, und das hat mich fasziniert, betreten der Spieler und Sebastian den Stem bewußt. Zwar ist die Welt noch abgedreht, doch er hat einen Grund sich in diese hineinzuwagen. Gerade dafür kam ich als Autor hinzu, denn ich sollte ihm eine Persönlichkeit gestalten. Interessant war, das die Entwickler bei ihren Gesprächen immer vom Spieler sprachen; der Spieler geht dahin, der Spieler tut dies und so weiter. Ich habe immer wieder betont, nicht der Spieler tut es, sondern Sebastian. Meine Aufgabe war es alles aus der Sicht von Sebastian zu schreiben, warum er in den STEM geht, warum er sich so verhält. Es ist wie beim Film, ich schrieb aus der Sicht der Charaktere. Wichtig war es allen eine emotionale Persönlichkeit, eine Stimme zu geben, damit sie Dreidimensionaler erscheinen. In THE EVIL WITHIN spielten wir gut 60 Stunden mit Sebastian, aber kennen taten wir ihn nicht wirklich. Er hat kaum über sich gesprochen und wenig mit anderen Leuten interagiert. Diesmal war es mein Job, ihn mehr von sich preiszugeben und mehr kommunizieren zu lassen. Es ging um eine bessere umfassendere Erzählung. Entscheidungen sollten nachvollziehbar sein. All dies half, glaubwürdig zu erzählen, dass Sebastian freiwillig in den STEM geht, um seine Tochter Lily zu retten. Auch wenn er glaubte, sie wäre gestorben, hat er nun einen Funken Hoffnung. Dieser gibt ihm die Kraft erneut in den Albtraum einzutauchen.

SR: Ein sich lebendig anfühlender Hauptcharakter vertieft die Handlung beim Spieler.

Exakt. In einem Film kann ich Dir zeigen, was ich zeigen will. Ich kann Dich für einen Charakter fühlen lassen, unabhängig davon ob er stirbt oder nicht. Beim Game kann ich Sebastian immer wieder über die Klippe springen lassen, da er jedes Mal sozusagen respawned. Da ärgert sich der Spieler höchsten, um die verlorenen Punkte oder Fertigkeiten. Mir war es wichtig die Emotionen des Charakters auch im Game zu übertragen, was schwer ist, da ein Game eben andere Parameter hat.

SR: Du hast Shinji Mikami-san bereits angesprochen, wie war die gemeinsame Arbeit mit ihm?

Ob beim Film oder Game, es gibt ein großes Budget und eine ganze Menge an beteiligten Menschen. Dazu gibt es zahlreiche Verantwortliche, sei es nur für die Gesichtsausdrücke, für die Texturen oder die Animationen. Shinji Mikami-sam stand als Executive Producer über dem ganzen Projekt. Er hat mit jedem über dessen jeweiligen Gebiet gesprochen und mit mir über die Geschichte. Er hatte die Aufgabe alles zu überblicken und darauf zu achten, dass die Vision korrekt umgesetzt wurde. Grundsätzlich hatte er ein Team, welches seine Vision teilte und seine Gedanken verstand. Ohne die funktioniert alles nicht. Ich habe mich viel mit ihm unterhalten, da er fast jeden Tag im Studio war, um sich ein Bild zu machen.

SR: Wie war es die ersten Bilder, die ersten Szenen Deiner Gedanken umgesetzt zu sehen?

Es war ungewohnt. Denn wie ich sagte, beim Film übergebe ich das Skript dem Team und gehe nach Hause. Sehe das Ergebnis erst, wenn alles fertig ist. Selten sieht man rausgeschnittene Elemente oder unterschiedliche Versionen. Aber in Tokyo war es anders. Ich schrieb eine Zwischensequenz, diese wurde ins Japanische übersetzt und einem japanischen Motion Capturing Regisseur gegeben. Kurz darauf siehst Du es vor Green Screen mit Schauspielern auf Video. Nur eine Woche später ist es dann im Game und in einfachem, gerendertem, grauem CG. Hintergründe sind oft sogar fertig. Kurz darauf werden die englischen Sprecher aufgenommen. Letztlich kommt die Musik hinzu. Ich konnte richtig miterleben, wie alles entstand. Jedes Mal wenn ich die Build (Rohversion des Game) zu sehen bekam, entdeckte ich Neues. So war plötzlich Feuer da und es wurde immer lebendiger. Mir kam es vor, wie ein Kind aufwachsen zu sehen, eben noch Baby, nun ein Jugendlicher und schließlich ein Erwachsener.

SR: Schaut man sich Grafik und Inszenierung an, wirkt alles real und lebendig. Denkst Du die Linie zwischen Game und Film wird immer dünner?

Auf jeden Fall. Im 19.Jahrhundert war der Roman die Kunstform der Geschichtserzählung überhaupt. Dann kam im 20.Jahrhundert das Kino und erzählte in flüssigen Bildern. Über hundert Jahre brauchten wir, um die Sprache der Leinwand zu verstehen, damit sie mit uns auf einem emotionalen Level spricht. Games sind die Erzählform des 21.Jahrhunderts, aber wir sind noch an ihrem Anfang. Wir lernen noch die Leute damit emotional zu greifen, indem wir die Werkzeuge des Kinos einbinden. Romane und Kino vermischen sich mit Games. Ich denke, künstlerisch werden Games wichtiger werden und noch mehr die Leute beeinflussen. Es ist wie beim Film, wo man die Menschen am Anfang begeisterte, wenn man ihnen auf der Leinwand nur einen Zug in einen Bahnhof einfahren zeigte. Später brauchten mussten sie ein Grund wissen, warum der Zug in den Bahnhof einfuhr. Bei den Games kann man Pac-Man als Beispiel nehmen. Am Anfang wollte niemand wissen, warum die Geister ihn jagten. (schmunzelt) Zukünftig müssen wir mehr über die Dramatik in Games nachdenken, damit sie nachvollziehbar sind.

SR: In THE EVIL WITHIN 2 gibt es nicht nur Dialoge, sondern ebenfalls Zeitungsausschnitte, Audiologs, E-Mails usw. Im Vergleich zum Filmskript, muss man auf anderen Ebenen denken?

Auf vielen Ebenen. Bei einem Film kann ich kontrollieren wohin Du schauen und was Du sehen sollst. Ein Spieler hat aber die Freiheit nicht alle Richtungen anzusehen und so nicht alles zu sehen. Er hat selbst die Möglichkeit zu entscheiden, was er von der Welt erforscht. Es gab Szenen, wo ich viel zu lange Dialoge für Sebastian schrieb und wir dann überlegen mussten, ob man vielleicht einige der Informationen des Dialoges zu einem findenden Text umwandeln. Schließlich soll der Spieler die Szene nicht als zu lang empfinden, weil er vielleicht schnell weiter will. Ich musste nachdenken ob jene Information an dieser Stelle eventuell zu lang ist und an jener vielleicht besser passt. Gerade bei Dingen die die Welt betrafen, entschieden wir uns meist so. Also verfasste ich eher einen Tagebucheintrag, der dann irgendwo versteckt wurde. Es war eine echte Herausforderung, die unterschiedlichen Möglichkeiten des Games zu nutzen. Letztlich wurde es so vielschichtiger.

SR: Sebastian ist aber nichts ohne seine Begleiter wie Juli Kidman oder eben ein ebenbürtiger Bösewicht. Wie wichtig und schwer war es diese Figuren ebenbürtig zu gestalten?

Ein interessanter Punkt und für mich schwer zu beantworten ohne zu Spoilern, denn es gibt mehr als einen Bösewicht. Also nicht nur einen Ruvik. Grundsätzlich hat jeder seine eigene Persönlichkeit, seine eigenen Motive und Begehren, sowie seine eigene einzigartige Stimme. Für mich bot dies herausfordernde Möglichkeiten. Sebastian trifft unterschiedliche Figuren, einige nur kurz, weshalb wir dort nur Grundzüge schufen. Andere die er traf, benötigten sozusagen einen Anfang wie das Treffen, einen Mittelteil und ein Ende für ihre eigene Geschichte. Diese mussten sie in Zusammenhang mit Sebastian’s Geschichte stehen.
Ich liebe es Bösewichter zu schreiben, sie sind meine Favoriten, da ich ihnen ungewohnte Ideen und verücktes, undurchsichtiges Verhalten zuschreiben kann. Sebastian dagegen ist gradlinig, er ermittelt und zeigt verständliche Züge. Aber auch ein Bösewicht denkt nicht, dass er sich Böse verhält, er glaubt das Richtige aus seiner Sicht zu tun. Er hat seine eigene Gerechtigkeit.

SR: Was bereitet Dir selbst Angst?

Gerne würde ich mit einer einfachen Antwort kommen wie Höhe oder die Dunkelheit, aber ehrlich gesagt, machen mir die Menschen oft am meisten Angst. Man muss mit ihnen auskommen und jeder hat Masken, die er trägt. Niemand weiß, was hinter dieser Maske abgeht. Selten kommt Gefahr aus der Natur, auch wenn es Löwen, Tiger oder ein Wirbelsturm gibt, eher die Unberechenbarkeit und Grausamkeit des Menschen erschreckt. Natürlich ist das Unbekannte zum fürchten und das unbekannte im Geist eines Menschen erst recht.

SR: Vielen Dank für das interessante und umfangreiche Gespräch und viel Glück für die Zukunft.

Gern geschehen, war mir ebenfalls eine Freude. Vielen Dank und einen schönen Tag. (all dies sagte er in Deutsch)

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Interview Sascha Leupold
Dank an Jessica Di Dio, Bethesda

Siehe: [Game] THE EVIL WITHIN 2