[Interview] TIMUR BEKMANBETOV – ABRAHAM LINCOLN VAMPIRJÄGER

“Filme muss man spüren”

Bei bei Kaffee, Capuccino und Plätzchen traf ich den russischen Filmvisionär Timur Bekmanbetov, der mit Werken wie Wächter der Nacht, Wächter des Tages und Wanted das Publikum begeisterte. In einem vierzig minütigen Gespräch in der Lounge des Berliner Hotel Adlon sprach er locker über seine Sicht des Filmmachens.

SHORTREVIEW: Die Buchvorlage ist eine Art Found-Footage-Roman mit Tagebucheinträgen, Zitaten aus Briefen und Fotos, um ein Gefühl von fiktiver Authentizität zu erzeugen. Setzen Sie auch ungewöhnliche filmische Mittel ein, um die alternative Wirklichkeit, die der Film erzählt, glaubwürdiger zu machen?

Nein, nicht wirklich. Doch um es glaubwürdig zu machen, recherchierten, recherchierten und recherchierten wir. Wir setzten uns mit Historikern zusammen, damit die Figuren, gerade Abraham Lincoln und diese Zeitepoche, real wirkten. Du siehst es in den Kostümen, den Kulissen und den Masken der Schauspieler. Na ja, eigentlich nutzen wir als Stilmittel 3D, um den Zuschauer ins Geschehen eintauchen zu lassen.

Timur Bekmanbetov und Ich

SR: Wird 3D die Filme in Zukunft weiterentwickeln?

Das kommt immer darauf an, wie 3D verwendet wird. Meist wird nur der „In die Kamera hinein“ Effekt benutzt, auch wir machen das. Doch ich wollte die Tiefe, die Räumlichkeit nutzen. Deshalb wirble ich Dreck, Nebel und Regen auf. Ich denke, so lasse ich den Zuschauer zum Teil des Films werden.

SR: Wie war die Zusammenarbeit mit Tim Burton? Da Sie und er kreative Regisseure sind, welchen Einfluss hatte er?

Natürlich haben wir uns viel zusammengesetzt und darüber gesprochen. Doch er weiß, dass ein kreativer Regisseur seine Möglichkeiten selbst ausschöpfen muss, deshalb gab er mir alle Freiheiten, die ich benötigte. In vieler Hinsicht waren wir immer einer Meinung.

SR: Wie sind Sie eigentlich zum Filmprojekt gekommen?

Während eines Gesprächs mit Tim Burton. Er drehte gerade Dark Shadows und Seth Grahame-Smith war einer der Autoren davon. Seth erzählte von einer Idee und zeigte uns seine Notizen von Abraham Lincoln Vampirjäger. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das Buch noch nicht geschrieben; es existierte nur ein Exposé. Tim und ich erkannten das Potential darin und so kam es, das wir drei zusammen die Geschichte ausarbeiteten. Da ich derzeit kein Regieprojekt hatte, kam dieses gerade richtig.

SR: Sie haben Filme in Russland, Amerika und Deutschland gedreht und jede dieser Filmbrachen ist anders. Ist es schwer als Regisseur sich darauf einzustellen?

(lacht) Egal wo man auf der Welt ist, immer muss man sich auf neues und ungewohntes einstellen. Diese Herausforderungen machen für mich einen Reiz aus. So ist mir nie langweilig.

SR: Was denken Sie, ist das faszinierende eine reale Person wie Abraham Lincoln in eine fiktive Geschichte zu versetzen?

Lincoln ist in diesem Fall schon für sich ein faszinierender Charakter, der die Weltgeschichte beeinflusste und veränderte. Wenn man nun diese reale Figur in eine Art Parallelwelt versetzt, kann man ihn noch von anderen Seiten beleuchten. Wir können Eigenschaften beobachten, die sonst nicht so auffallen und möglicherweise können wir so sogar Handlungen, die er gemacht hat, besser verstehen.

SR: Wie schwer war es mit Benjamin Walker den richtigen Abraham Lincoln zu finden?

Sehr, aber wenn ich Benjamin sehe, sehe ich Abraham Lincoln. Natürlich ist es für einen jungen Schauspieler eine Herausforderung, denn entweder überzeugt er oder nicht. Doch Benjamin ist sehr vielseitig – er spielt ja Lincoln von jung bis alt. Da zeigt er dessen launische Seite, wenn er trinkt oder sich schlägt, wohl aber auch seine fesselnde Natur, mit der er eine Nation auf seine Seite zog. Im Gegensatz zu Wanted, hier funktionierte der Film nur, weil die Chemie zwischen James McAvoy und Angelina Jolie stimmte, hatte Benjamin es schwerer, er musste allein in der Lage sein, die Chemie für den Film zu bilden.

SR: Sie haben einen sehr visuellen Bildstil. Entsteht dieser schon mit dem Lesen des Scripts oder erst beim planen des Films?

Das kann ich so nicht sagen, sicherlich muss es geplant werden, damit die Umsetzung stimmt, aber ich bin ein kreativer Mensch, da hab ich einfach die Bilder im Kopf. Das muss man im Gespür haben.

SR: In ihren Filmen gibt es immer starke Charaktere mit Hintergrund und Persönlichkeit. Wie wichtig ist dies für einen guten Film?

(lacht) Gut beobachtet. Ich finde, sie halten den Film zusammen, machen ihn lebendig und interessanter. Wir als Zuschauer fühlen uns ihnen verbundener.

SR: Welche anderen Regisseure hatten auf Sie und Ihre Filme Einfluss?

Ich glaube, es gibt keinen Regisseur, der nicht kuckt, was die Anderen machen. Da gibt es zahlreiche russische Regisseure, wie Sergei Eisenstein oder auch moderne wie Ridley Scott und James Cameron und Cameron, ja ich glaube Cameron hat mich ziemlich am meisten beeinflusst. Aber auch der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff. Andererseits muss man auch auf sich selbst vertrauen, damit man den eigenen Weg geht.

SR: Können Sie mir vielleicht etwas zu Ihrem aktuellen oder zukünftigen Projekt erzählen?

Hier in Berlin habe ich gerade das Musikvideo der Gruppe Linkin Park für den Titelsong zu Abraham Lincoln Vampirjäger abgedreht. Es ist ein eindruckvoller und mitreißender Song übrigens. Ich wünschte ich könnte sagen, ich hätte ein nächstes Projekt, aber nein. Erstmal mache ich eine Pause und in vier Wochen sehe ich einfach mal weiter.

SR: Was fasziniert Sie beim Filmemachen am meisten?

Das Besondere ist, etwas zu hinterleuchten. Ins Innere eines Film zu schauen, egal um welchen es sich handelt. Mit dem Thema spielen. Ich weiß, das klingt jetzt sehr philosophisch, aber so ist für mich ein Film nicht einfach nur ein Film.

SR: Es wird oft diskutiert, ob ein Regisseur oder die Produzenten und Studios den finalen Schnitt haben. Hatten Sie bei Ihren Filmen den Final Cut?

Glücklicherweise ja. Bei Wanted, hatte ich am runden Tisch mit dem Studio lange Gespräche wegen dem Ende, bei dem sich Angelina Jolie selbst richtet. Aber wir haben in Ruhe und kreativ darüber geredet und sie haben meine Vision verstanden. Ansonsten ist jeder meiner Filme so geworden, wie ich ihn mir vorgestellt hatte.

SR: Vielen Dank, das Sie sich die Zeit für das ausführliche Gespräch genommen haben.

(lacht) Das habe ich doch gerne gemacht.

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Interview Sascha Leupold

In abgewandelter Form erstmals erschienen in: Nautilus – Abenteuer & Phantastik, www.fantasymagazin.de