[Interview] GRANT BOWLER – DEFIANCE

“Als ich vorsprach landete das Drehbuch im Müll”

Grant Bowler, der Star der Serie DEFIANCE und gebürtige Kiwi startete seine Karriere mit der australischen Polizeiserie Blue Heelers. Danach war er in vielen Serien, die in Downunder gedreht wurden zu sehen, darunter Farscape, McLeods Töchter und Lost. Später wirkte er lange in Alles Betty! und der Vampirserie True Blood mit. Die Science Fiction DEFIANCE gehört mit zu seinen Lieblingsprojekten und dadurch war es für ihn ein großes Vergnügen mit mir, darüber zu plaudern. Das Interview entstand zum deutsche Serienstart 2013.

SHORTREVIEW: Was ist so faszinierend an Science Fiction Serien?

Für mich muss Science Fiction real wirken. Es darf sich nicht nur um ein Gadget oder ein Gerät drehen. Eigentlich geht es immer um Geschichten zu erzählen, zu erkunden was möglich wäre oder um Fragen, die das soziale Leben betreffen zu beantworten durch eine neue Blickrichtung. Alles im Kontext zum Alltag sehen. Was ist kontroverse oder mit welchen neuen Gegebenheiten werden wir konfrontiert? … Science Fiction bedeutet aber auch viel Spaß. Es ist eine solch komplexe magische Welt, die geschaffen werden kann durch die Regeln, die aufgestellt werden. Und mit diesen zu spielen finde ich, macht viel Spaß.

Grant Bowler

SR: Wie Du sagtest Science Fiction ist komplex, so auch die Serie DEFIANCE mit all den verschiedenen Alienrassen zum Beispiel. Hat man Dir zur Vorbereitung eine Art Serienbibel in die Hand gedrückt?

(lacht) Nein, aber schön wäre es gewesen. Es klingt zwar etwas lächerlich, aber als wir den Pilotfilm drehen, wussten wir nur das Nötigste. Weißt Du, wenn man TV-Shows startet, werden diese Regeln von den ich sprach, erst währenddessen geschaffen. Es gab zwar bei uns die Aliensprachen und die künstlerische Ausstattung der Welt und Rassen, aber wir mussten selbst herausfinden, wie all dies zusammen harmoniert. Dazu wurde viel miteinander gesprochen. Jeder Darsteller hat durch seine Rollensicht, die Künstler durch ihre Gedanken, was sie sich bei den vielen Designs wie eben Rassen und Objekte vorgestellt haben, etwas zu dieser Serienbibel beigetragen. Sie wird ständig erweitert. Und wenn man dann ungefähr die Hälfte der Serie abgedreht hat, lehren wir Schauspieler sogar die Regisseure an, sich an die aufgestellten Regeln zu halten, da wir diese Bibel inzwischen stark verinnerlicht haben.

SR: Also geht es Euch Schauspieler ebenso, wie den Serien Zuschauern. Man lernt von Folge zu Folge dazu.

(lacht) Genau so ist es. Auch wir erfahren immer mehr von der Geschichte, die sich fortlaufend umfangreicher und tiefgehender gestaltet. Und je länger die Serie läuft, desto teuer wird sie, was für uns bedeutet, dass mehr möglich ist. Oft bin ich selbst überrascht, wenn man mir das Drehbuch in die Hand drückt und ich es zum ersten Mal lese, wie sich alles entwickelt. Das ist aufregend und macht mir jedenfalls Spaß. Es ist ebenfalls interessant Fankommentare zu lesen, die jedes neue Fitzelchen der Hintergrundgeschichte auseinander nehmen. Das erinnert mich dann immer an mein eigenes Gefühl etwas Neues zu erfahren. Das ist herrlich.

SR: Wie bist Du eigentlich zur Rolle des Joshua Nolan gekommen?

Es gab ein Casting. Ich traf mich mit Kevin Murphy, Produzent und Serienkoordinator, nachdem ich ein frühes Drehbuch des Pilotfilms gelesen hatte. Ich mochte es wirklich, aber dachte, dass es so nicht zu hundert Prozent funktionieren würde. Und genau an dem Tag hatte Kevin dieses Drehbuch in den Müll geschmissen. Er hat zwar eine große Anzahl von Charakteren und die Grundlage der Geschichte beibehalten, doch alles neu aufgebaut und die Dynamik verbessert. Weißt Du, interessant dabei ist, als wir zusammensaßen und Beide über unsere Sicht wie die Geschichte sich entwickeln könnte sprachen, waren wir bei vielem einer Meinung. Aber es gab noch kein Drehbuch. Kurz ich hatte schon für DEFIANCE unterschrieben, bevor es eines gab.

SR: Nolan ist ein interessanter Charakter. Als Soldat eher der einsame Kämpfer und dann hat er das Mädchen Irisa aufgezogen, was ihn verändert hat. Sie haben eine wichtige Beziehung zueinander.

Das siehst Du richtig. Als er Irisa das erste Mal sah, blickte er auf ein gebrochenes Kind, das wieder zu sich finden müsste, damit das ganze Potential, was er ebenso in ihr sah zu Tage kommen konnte. Sie war seelisch verletzt und er gab ihr wieder Lebensmut, indem er sie zu einem Kämpfer erzog. Ihr und sein Leben haben viele Parallelen, weshalb er sich mit ihr auf eine Art identifizierte. Ich denke nicht, dass er Erfahrung darin hatte, was es heißt ein echter Vater zu sein. Auch wenn er Irisa wie ein Vater erzog, sah er sich mehr als Partner und Mentor, vielleicht auch als Flügelmann. Er hat ihr das Leben gezeigt und beigebracht, was wichtig zum Überleben ist, weiß aber ebenfalls, das ihm die Fähigkeit fehlt, ihr zu lehren, eine Frau zu sein. Als Nolan dann nach Defiance kommt, merkt er, dass es weit mehr gibt, als das, was er ihr bieten kann.

SR: Bestimmt war er oft wie ein militärischer Ausbilder zu ihr, hart und streng, denn das kannte Nolan als Soldat am besten.

(lacht) Da ist was Wahres dran. Er hat vielleicht eine andere Art der Erziehung, aber er liebt sie und sie liebt ihn. Nolan ist nicht wirklich gut mit Gefühlen. Und wie Du sagtest, durch seine militärische Ausbildung ist er ein Befehlsgeber, was er natürlich auch auf sein Leben überträgt. Es liegt ihm im Blut.

SR: Zahlreiche großartige Schauspieler sind in der Serie zu sehen, darunter Tony Curran, Graham Greene und Julie Benz um nur einige zu nennen. Wie ist es mit solchen Darstellern zu spielen?

Wir haben so viele gute Schauspieler im Team, mehr als Du aufzählen könntest. (lacht) Es ist so eine großartige Besetzung, dass wir uns wie gesegnet vorkommen, weil es die Arbeit angenehmer macht. Wie bereits erwähnt, kam ich zum Projekt ohne ein Drehbuch und einer meiner Sorgen war, wie die Besetzung aussehen würde, denn davon kann der Erfolg einer Serie abhängen. Und ihnen ist ein klasse Coup gelungen. Jaime Murrey als Stahama Tarr harmoniert beeindruckend mit Tony als Datak, Graham Greene war wie ein Geschenk für uns und Julie ist so professionell. All dies macht einen Unterschied aus, denn du kannst dich entspannen und dein Potential voll ausspielen, da du weißt, dass jeder sein Bestes geben wird. Jeder hatte auch Möglichkeiten Ideen in seine Rolle einzubringen, was den Charakteren mehr Intensität verleiht. Vor allem ist es aufregend mit ihnen zu drehen, denn gute Schauspieler versuchen immer einander herauszufordern, was einen selbst zu Höchstleistungen antreibt.

SR: Gibt es Darsteller mit denen Du besonders gerne spielst?

Am Liebsten hab ich alles, was mit Nolan und Irisa zu tun hat. Ich liebe ihre Vater Tochter Beziehung, weil sie so kompliziert ist. Besonders genossen habe ich meine gemeinsamen Szenen mit Graham, denn manchmal hat er unerwartete Sachen beim Spiel ausprobiert. Aber auch mit Tony hatte ich meinen Spaß, sein Charakter Datak ist so vielschichtig und Nolan muss sich immer wieder unterschiedlich auf ihn einstellen, was bedeutet, das ich selbst immer wieder anders spielen muss.

SR: Ich las, das Tony Curran und Graham Green lieben zu improvisieren. Stimmt das?

Das kann ich nur bestätigen. Allgemein ist es so, wenn du Serien drehst, hast du die Möglichkeit eine umfangreichere Geschichtsentwicklung als in Filmen zu bieten und als Schauspieler weißt du schnell mehr über deine Figur, als die Drehbuchautoren und Regisseure, gerade weil du deine Figur auf eine Art fühlst. Wir haben uns viel mehr mit ihr auseinandergesetzt. Durch die Qualität der Schauspieler bei DEFIANCE kommt die Improvisation automatisch. Graham zum Beispiel ist sehr kreativ und kommt so oft mit Vorschlägen, an die keiner gedacht hatte.

SR: DEFIANCE hat neben der Serie ein erfolgreiches Computerspiel, das Nebenhandlungen erzählt. Da Nolan dort sogar auftaucht, hast Du ihn eingesprochen. Spielst Du das Spiel?

Selbstverständlich. Ich habe es auf der XBox360 und dem PC.

SR: Serie und Spiel gehen Hand in Hand. Was meinst Du, ist dies ein neuer Weg die Zuschauer aktiv in Serie zu integrieren?

Darauf haben wir von Beginn an hingearbeitet. Die Vorbereitung zum Spiel und der Serie liegt nun 5 Jahre zurück. Wir haben festgestellt, dass die Zuschauer es lieben ein Teil einer Serie zu sein und etwas beitragen zu können. Natürlich ist so ein Doppelprojekt ein gewagtes Experiment und eine Herausforderung in der Geschichtserzählung und Entwicklung. Wir haben das Spiel auf drei Plattformen (Anmk.: PS3, XBox360, PC), die Serie und die Internetpräsenz, die viel Hintergrundinformationen und Exklusivmaterial liefert. Damit geben wir den Zuschauern viele Portale in die Geschichte, in die Welt und erlauben ihnen diese zu erforschen.

SR: Der Erfolg von DEFIANCE führt zu einer zweiten Staffel. Kannst Du mir schon etwas darüber sagen?

Wie kann ich es ausdrücken ohne etwas zu verraten? (überlegt kurz) Also, im Gegensatz zur Ersten starten wir mit einer wesendlich düsteren Atmosphäre und wir werden vieles komplett Ändern. Dann werden wir viel mehr von der Welt außerhalb von DEFIANCE zeigen.

SR: Was ist für Dich der größte Spaß am Job, die Reaktionen der Zuschauer und Fans?

Für mich im Besonderen ist es, wenn ich Serien mit großangelegten Geschichten mache, dass es sich zu einer Konversation mit den Zuschauern entwickelt. Ich liebe das. Ich liebe es Reaktionen der Fans zu erfahren, von Episode zu Episode. Manchmal sind sie sogar hilfreiche Kritiker, denn sie können größere Experten der Serie sein als ich. Das hilft mir besser zu werden. Sie sehen das Ganze und ich oft nur meine Rolle. Im Allgemeinen liebe ich es, wenn sich Geschichten weiterentwickeln, gerade durch die Fans.

SR: Danke für Deine offenen Worte. War mir ein Vergnügen.

Ging mir genauso. Liebe Grüße an alle deutschen Fans.

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Interview Sascha Leupold

In abgewandelter Form erstmals erschienen in: Nautilus – Abenteuer & Phantastik, www.fantasymagazin.de